über Quijote
QUIJOTE – Nur diese eine Schwalbe
Dieser Artikel ist im Januar 2005 im Deutsch-Griechischen Magazin NEAFON erschienen.
Wer in Sachen Theodorakis in Deutschland unterwegs ist, braucht eigentlich keinen eigenen guten Namen vor sich her zu tragen. Es ist das Image des Meisters, welches die Säle nicht ganz leer bleiben lässt. Welches Image aber? Es gibt deren mindestens zwei: das der linken Protestkultur und das des gehobenen Schlager-Chansons. Während die politisch motivierte Zuwendung eher eine Erinnerungskultur zu sein scheint – wenn auch eine durchaus lebendige -, so wird die Ausschlachtung der populären Melodien immer wieder neu betrieben.
Und da ist nun diese Gruppe aus Sachsen, die mit handgemachter Musik und poetisch-kritischen Versen gegen die Windmühlenflügel der kommerziellen Vergnügungs- und Zerstreuungsindustrie ansingt. Sie haben vor und nach ihrem Theodorakis-Projekt mit sorgfältig ausgesuchten lyrischen Texten eigenwillig überzeugende Beiträge zu einer hiesigen Chanson- und Liedkultur geleistet, die zweifellos mehr Aufmerksamkeit verdienen, als ihnen tatsächlich geschenkt wird. Die musikalisch solide gerüsteten drei Quijotes aus Chemnitz verfügen über langjährige Bühnenerfahrung und haben mit ihren mittlerweile drei CDs auch saubere Studioarbeit verewigt. Aber es wird wenig bringen, sie mit ihren eigenen Werken außerhalb ihres Biotops auf Tour zu schicken, leider! So ist das eben in diesem TV-bestimmten Kulturbetrieb Deutschland. Doch wenn die Ankündigung lautet „Nur diese eine Schwalbe – ein Mikis-Theodorakis- Liederabend“, dann funktioniert das sogar in Schleswig-Holstein.
Was prädestiniert nun aber ausgerechnet eine Gruppe aus Sachsen dafür, Deutschland einen ganz unverbraucht neuen Zugang zum Liedgut des bislang zwar populären aber doch nur oberflächlich bekannten griechischen Musiktitanen zu schaffen? „Quijote“ ließ sich 1998 von einem Konzert mit Maria Farantouri zu einem eigenen Theodorakis-Projekt in deutscher Sprache inspirieren. Aber der Boden war schon fruchtbar. Deutsche Lyriker aus dem näheren (Dada Hoelz, Henry-Martin Klemt) und weiteren Umfeld (Gisela Steineckert, Hans-Eckardt Wenzel) hatten sich bereits mit den Theodorakis-Texten beschäftigt, die doch von den bedeutendsten griechischen Dichtern des 20. Jahrhunderts stammten.
Diese Texte standen in dem Ruf, dass sich ihre spezifische Bildhaftigkeit und Rhythmik nicht in eine singbare, authentische deutsche Fassung bringen ließen. Dafür den Gegenbeweis anzutreten, war der Anspruch des Quijote-Projektes. Griechische Besucher des Konzertes im Kieler KulturForum am 22. September 2004 äußerten sich respektvoll-anerkennend und beglückt von dieser dann also gelungenen musikalischen Botschafterarbeit.
Dass solche Arbeit in Ostdeutschland gedeihen konnte, ist sicher kein Zufall. In den Jahren der DDR hatte Literatur allgemein und auch Lyrik im besonderen einen weit höheren Stellenwert als in der Beliebigkeit des westlichen Kunstkommerzes. Auch die Aufmerksamkeit für die Weltliteratur wurde als existentiell gewusst. Und es gab in der DDR auch eine nennenswerte griechische Kolonie seit 1949 die nach einem Befehl des Generals Markos Vafiadis sog. Markos-Kinder vor der Siegerjustiz des griechischen Bürgerkrieges in die bescheidene Sicherheit der Staaten des Ostblocks evakuiert wurden. Zu den Griechen in Sachsen, Berlin und Brandenburg gehörte auch Asteris Koutoulas, der Mikis-Theodorakis-Dolmetscher, der der Gruppe Quijote sehr geholfen hat, jene Authentizität zu erreichen, die auf der CD „Nur diese eine Schwalbe“ festgehalten ist.
Und so war der Botschafter der Bundesrepublik in Griechenland bestens beraten, als er die Gruppe aus Chemnitz einlud, mit ihm nach Distomo zu fahren. Das Ereignis blieb in Deutschland fast unbemerkt. Erst 60 Jahre danach hatten die Bewohner des griechischen Dorfes offizielle Deutsche eingeladen, mit ihnen gemeinsam des Massakers zu gedenken, das in einer Reihe zu nennen ist mit Lidice und Ouradour. Sabine Kühnrich, Ludwig Streng und Wolfram Hennig stehen noch heute unter dem starken Eindruck ihres Auftritts in Distomo. „Schon beim zweiten Lied begann man im Publikum mitzuklatschen und zu singen“, erzählt Quijote-Komponist Ludwig Streng. Als kurzzeitig der Strom ausfällt, singen sie a capella und gemeinsam mit dem Publikum. „Wie viele Hände sich uns entgegenstreckten, wie viele Menschen sich bei uns bedankten...“, erinnert sich Sabine Kühnrich. „Dabei wäre es doch an uns gewesen, uns zu bedanken – für die Ehre, die uns zuteil wurde, als Deutsche an diesem Ort der Mahnung und des Gedenkens spielen zu dürfen.“ Wolfram Hennig ist noch immer beeindruckt von diesen bewegenden Momenten: „Vielen standen die Tränen in den Augen. Ein kleiner Junge kam zu uns, sang einige Takte Ena to Chelidoni und strahlte uns mit großen Augen an...“
Die deutsche Gruppe ist an den griechischen Liedern gewachsen. Sie haben eine solide Brücke zwischen den Kulturen gebaut. Die musikalische Umsetzung der Theodorakis-Lieder ist eigenwillig und werktreu zugleich. In den Solo- und Satzgesängen wird Emotion auf solidem handwerklichem Fundament transportiert. Insbesondere die glockenklare und zugleich Wärme verstrahlende Stimme von Sabne Kühnrich erhebt sich wie diese eine Schwalbe, welche bessere Zeiten verkündet. Wir dürfen gespannt sein auf die dritte CD der Gruppe, die erste nach dem Ausflug in den griechischen Bezirk der Weltkultur.