Musik gegen Windmühlen

über Quijote

Fluß unterm Eis (CD-Cover)

Gruppe „Quijote“: „Fluß unterm Eis“

Vergissmein- und nicht

von Frank Viehweg

erschienen am 10. Januar 2005 im NEUEN DEUTSCHLAND

„Du träumst, daß ich gestorben wär – Ich träum, ich müßte leben“ - so beginnt das neue Album der Chemnitzer Gruppe „Quijote“. Dazwischen spielt sich alles ab. Dazwischen taumeln die Träume auf uns zu, die Lieder, die ich vermißt habe, als ich sie noch nicht kannte. „Zwischen Besitz und Begehr – Zwischen Verrat und Verkauf – Zwischen Gelichter und Licht“ heißt es im „Zwischenlied“.

Der Texter, Henry-Martin Klemt, ist ein Dichter. Und wie Gedichte kann man im Booklet seine Liedtexte lesen, die „lyrics“, wie sie bezeichnenderweise im Englischen heißen. Die herablassenden Blicke der hehren deutschen Dichtkunst, die Liedtexte als etwas Minderwertiges betrachten, prallen hier ab. Wer schon würde in Frankreich behaupten, Georges Brassens wäre kein Dichter, weil er Lieder geschrieben hat? Der russische Barde Wladimir Wyssozki, der kubanische Cantautor Silvio Rodriguez, der nordamerikanische Singer-Songwriter Bob Dylan – sie wären keine Dichter, weil man ihre Verse singen kann? Unvorstellbar!

Auch die Verse des Dichters Henry-Martin Klemt kann man singen. Die Gruppe „Quijote“ kann es. Der Komponist Ludwig Streng hat sie in Töne gesetzt und gemeinsam mit Sabine Kühnrich und Wolfram Hennig für das nun vorliegende Album eingespielt. „Zwischen den Mündern – Zwischen den Zündern – Zwischen den Schüssen – Zwischen den Küssen“ eröffnen die Töne den Worten ein, zwei, drei weitere Dimensionen. In der vollendeten Interpretation der Gruppe „Quijote“ finden die Lieder den Weg direkt ins Herz – wenn man sie lässt.

Lange vorbei sind die Zeiten, da die fahrenden Sänger von Burg zu Burg zogen. In den Rundfunkstationen hat das engagierte Lied keine Bastion und verliert die letzten verbliebenen Nischen. Über Lieder aber lässt es sich schwer schreiben, man kann sie nicht nacherzählen, man muß sie hören: „Zwischen den Stühlen – Zwischen den Mühlen – Zwischen den Kriegen – Zwischen den Siegen“.

Ich habe sie gehört, die Lieder des neuen „Quijote“-Albums. Nach „Heimwärts“ und „Nur diese eine Schwalbe“ ist es das schwierige dritte Album, wie es heißt. Diese Schwierigkeit haben die Autoren und Musiker mit spürbarer Leichtigkeit gemeistert. Im Ergebnis ist „Fluß unterm Eis“ für mich das beste, das dringlichste Album der Gruppe. Fünfzehn Lieder, die es nicht nur wert sind, gehört zu werden, fünfzehn Lieder, die gehört werden müssen: Zwischen Vergißmein- und nicht“.